Lalü la la ...

Lalü-lala, die Feuerwehr ist da.

Geschichten, die das Leben schrieb.

Es ist ein herrlicher Samstagnachmittag im Spätherbst, wir schreiben den 20. Oktober 2001, bei angenehmen 20°C und herrlichem Sonnenschein fahren wir das Auto aus der Garage und starten zu einem Krankenbesuch. Wir wohnen in einer verkehrsberuhigten Zone mit ganz schmalen Wohnstraßen und fahren gemächlich bis zur Kreuzung vor, kein Mensch ist auf der Straße, sie genießen alle die letzten angenehmen Sonnenstunden in ihren Gärten.

Zu einer verkehrsberuhigten Zone gehören natürlich Straßenhindernisse, in Form von auf den Asphalt aufgesetzten dicken Buckeln, die man, will man sich nicht doch die Achse schädigen oder gar aufsitzen, dann doch wie gewohnt vorsichtig passiert. So auch heute. Langsam gleitet unser Fahrzeug über den ersten Buckel, dann biegen wir in die nächste Seitenstraße ein, fahren gewohnt vorsichtig über den nächsten Buckel, nicht - ohne zu vergessen, diesen versetzt anzufahren, weil rechts neben dem Buckel nämlich ein breites, recht tiefes Schlagloch lauert. Ah! Das Auto macht einen Satz, hat das Schlagloch voll passiert, es blubbert, hustet, bockt, hinten auf dem Rücksitz schreit es: "Anhalten, sofort anhalten!! Das Auto brennt!!!" Ich - langsam bremsend: "Wie das Auto brennt (kann doch nicht sein) ?" drehe mich um und sehe meine Tochter auf dem Rücksitz hin und her hüpfen. Schaue auf den Rücksitz und sehe, wie kleine weiße Rauchwölkchen unter dem Rücksitz hervorquellen. Ups, das brennt wirklich. Schleunigst halte ich an, hinten springt Missundercover schon aus dem Auto und sucht Deckung in weiterer Entfernung auf einer großen Wiese. Ich vergesse natürlich nicht, den Autoschlüssel abzuziehen, schnappe meine Tasche und verlasse nun ebenfalls schnell das Auto. Jetzt hüpft meine Tochter in respektvollem Abstand auf der Wiese herum und ruft: "Geh' weg, das explodiert!" Also begebe ich mich auch erst mal in Sicherheit. Kaum dort angelangt, stelle ich, warum auch immer, meine Handtasche mitten auf die Wiese, renne noch mal zum Auto und schlage die beiden Türen zu. Was macht man nicht alles im Affekt, hätte nur noch gefehlt, daß ich die Türen verschlossen hätte, den Schlüssel hatte ich ja dabei. Ordnung muß sein! Dann begab ich mich wieder auf die Wiese.

Zwischenzeitlich hatten wir per Handy schon mal die Feuerwehr gerufen. In dem Autoinneren brannte es nun schon lichterloh. Noch sah man die Flammen züngeln. Wir zogen es nun so langsam vor, die Wiese zu verlassen und begaben uns an die nahen Straßeneinmündungen, um die schmalen Straßen abzusperren. Wir wußten ja eigentlich nicht, was weiter passiert. Vor allen Dingen hatten wir Angst, daß das Fahrzeug explodiert und vielleicht gerade jemand in nächster Nähe vorbei will. Das mußte ja nun nicht sein. Aber das nutzte nichts. Wir waren mittlerweile recht weit von dem Fahrzeug entfernt und aus allen Richtungen trabten die Schaulustigen an. Innerhalb von fünf Minuten waren es Hunderte und ich wunderte mich, wo die alle herkamen, man hatte doch vorher niemanden gesehen. Sogar die Gärten an den Häusern waren mit Schaulustigen bevölkert.

Dann kam ein Italiener angefahren. Aufgeregt kurbelte er sein Autofenster herunter und rief raus, daß der weiter vorne die Straße absperren wolle. Gesagt getan, stellte er sein Fahrzeug am Anfang der kleinen Straße erst mal quer. Niemand konnte mehr durch. Dann sprang er aus seinem Auto, schnappte sein Handy und begann zu telefonieren. Er rief auch die Feuerwehr.

Zwischenzeitlich kam die erste Straßenbahn langsam vorbei gefahren. Sie legte sich, hatte man das Gefühl, so in die Kurve, daß die Insassen alles bestens beobachten konnten. In dem Moment gab es den ersten lauten Knall durch das Bersten der hinteren Autoscheibe. Die Straßenbahnfahrgäste fuhren erschrocken in ihre Sitze zurück, der Italiener mit lautem : "Mamma Mia!!!" rief schon wieder bei der Feuerwehr an. Da, das erste Lalülala der Sirene. Jetzt mußte die Feuerwehr gleich in die Straße einfahren. Nichts! Die Straßenbahn hielt an der nahen Haltestelle und man hatte das Gefühl, daß mehr Leute aus der Bahn ausstiegen als sonst, es gab ja etwas zu sehen! Jetzt hörte man das Lalülala aus der entgegengesetzten Richtung erschallen. Zwischenzeitlich war mir aufgefallen, daß meine Handtasche immer noch mutterseelenalleine mitten auf der Wiese stand und meine Tochter spurtete los, um sie zu holen. Jetzt kam das Lalülala wieder von links. Aber es kam keine Feuerwehr? Die Seitenscheiben barsten mit lautem Getöse und Stichflammen stachen seitlich aus den Löchern. Der Italiener, Entsetzen in der Stimme, einem Nervenzusammenbruch nahe, kreischte nach der Feuerwehr: "Mamma mia, wo bleibt die Feuerwehr, fährt sie im Kreis!"

Die Vorderscheibe barst mit lautem Getöse und gab nun größere Stichflammen frei. Schwarze dicke Rauchwolken stiegen auf. Und wer kam aus der gegenüberliegenden Seitenstraße ganz gemächlich angefahren? Die Polizei. Die Beamten im Fahrzeug sondierten die Lage erst mal mit geübtem Blick, parkten, natürlich mit viel Sicherheitsabstand, stiegen aus und fragten sich durch, wem das Fahrzeug denn gehöre. Das Lalülala kam nun seltsamerweise aus der entgegengesetzten Richtung. Fuhren die doch im Kreis? Der Italiener hüpfte immer noch um sein Auto und telefonierte noch mal nach der Feuerwehr und erklärte, er höre immer die Sirene, aber sie kämen nicht, ob sie die Straße nicht fänden! Da! Die erste Explosion und eine gewaltige Rauchwolke steigt empor. Alles starrt gebannt in Richtung brennendes Fahrzeug. Zwischenzeitlich hat sich der eine der Beamten zu mir durchgefragt. Auf meine Frage, wer sie denn gerufen habe, meint er, sie seien der Rauchwolke gefolgt und nahm dann gleich noch meine Personalien auf. Die Feuerwehr umfuhr zwischenzeitlich immer noch das Gebiet, das Lalülala kam mal näher, mal war es wieder weiter weg.

Ich schaue wieder in Richtung des brennenden Autos, aus dem schwarzer Rauch quillt. Ganz gemächlich radelt eine Oma auf dem Fahrrad von der Seitenstraße in die schmale Straße ein, in der das brennende Auto steht. Rechts am Lenker hat sie eine alte Einkaufstasche hängen, hinten ein Körbchen mit Blumen auf dem Gepäckträger. So wie alte Leute radeln, langsam, ganz, ganz langsam, im Schneckentempo radelt sie am Straßenrand in die Richtung des brennenden Autos. Unbeirrt tritt sie ihre Pedale so, daß sie gerade noch das Gleichgewicht hält und sieht sich im noch langsameren Vorbeirollen das brennende Fahrzeug aus drei Meter Entfernung neugierig an. Da! Ein ohrenbetäubender Knall, noch einer und noch einer! Und die Oma! Macht einen Satz, mutiert zu Elli Pirelli, stellt sich in die Pedale, tritt durch, streckt den Rücken, ihr Hinterteil durch, nimmt die Haltung eines Radrennfahrers ein, ihre Beine treten was das Zeug hält in die Pedale, die Einkaufstasche weht seitlich raus, die Blumen hüpfen im Korb - und Oma war in Sekundenschnelle nur noch als Punkt am Ende der Straße auszumachen! Im Hintergrund kommt das Lalülala näher!

Ah! Die Feuerwehr hat endlich die Seitenstraße gefunden und das Lalülala verhallt urplötzlich. Sie können aber immer noch nicht löschen, denn erst muß der Italiener sein Fahrzeug bei Seite fahren, damit sie durch können. Vor Aufregung braucht er drei Versuche, um sein Fahrzeug zu starten. Er zieht es vor, dann gleich das Feld zu räumen. Es war ja so aufregend! Das Feuerwehrauto fährt nun vor. Der vierte Reifen platzt gerade und setzt das nun schon nicht mehr so lichterloh brennende Fahrzeug mit einem Rums auf die Felge. Zwischenzeitlich haben die Feuerwehrleute, sechs an der Zahl, unter Anleitung ihres Kommandanten einen Schlauch unter ihre Arme genommen und peilen nun das Fahrzeug im Gänsemarsch trippelnd an, mit dem Schlauch im Anschlag.

Aus der Seitenstraße gegenüber fährt plötzlich ein Van in die kleine Kreuzung ein. Seitlich steht drauf: "BTV - Baden TV" - Auch das noch! Der Reporter vom regionalen Fernsehsender! Uns bleibt aber nichts erspart. Wer hat den nun gerufen? Wahrscheinlich hat er den Polizeifunk abgehört. Flugs hat der Reporter seine Utensilien rausgeholt und beginnt die Aktion der Feuerwehr zu filmen. Die Feuerwehrleute kämpfen sich noch immer im Gänsemarsch um das brennende Fahrzeug herum, aber immer so, daß der Reporter ausreichend Sicht für seine Kamera hat. Auf Kommando: "Eins, zwei, drei!" drückt der vorderste Mann, wahrscheinlich der Spritzenführer, auf ein Ventil und entläßt einen kurzen, heftigen Wasserstrahl in den Brandherd. Das machen sie insgesamt fünf, sechs mal, dann ist der Brand gelöscht. Naja, viel brannte da ja nun wirklich nicht mehr.

Wir wechseln unseren Standort und begeben uns auf die Straßenseite, gegenüber von dem abgebrannten Fahrzeug. Gerade lösen sich die Aluminiumklinken von der Hitze auf und tropfen vor sich hin auf den Asphalt. Der Reporter interviewt den Feuerwehrkommandanten, dann einen der Polizeibeamten. Mich fragt gerade eine Frau mit betroffener Trauermiene: "Tut es ihnen nicht um das Auto leid?" Ich: "Nein, es war nur ein Auto!" Noch betroffener wendet sie sich ab und geht! Auch die vielen Leute gehen einer nach dem anderen nach Hause. Ich sehe den Reporter mit giftiger Miene an - bleib bloß weg -, er versteht, geht zu seinem Auto und trollt sich.

Einer der Polizisten fragt, welchen Abschleppdienst er denn anrufen darf und freut sich ein bißchen zu offensichtlich, daß es der ADAC ist (!), dann ruft er noch die Stadtreinigung an, denn alles muß seine Ordnung haben. Die Feuerwehrleute verstauen ihre Utensilien und fahren grüßend ab, wir heben vorsichtig den offenen Kofferraumdeckel und staunen, daß dort nichts verbrannt ist und retten die nur ein wenig angeschmurgelte, heißgeliebte Makitamaschine von Wolfi. Sie tut heute noch brav ihre Schraubdienste.

Der Abschleppdienst lädt das Autowrack auf, dann kommt der Stadtreinigungsdienst. Wir sehen noch, daß ein kleines Kehrmaschinchen, Handfeger und ein Besen ausgeladen werden. Danach fahren wir mit zwei Stunden Verspätung ins Krankenhaus.

Wolfi trug die Nachricht mit Fassung. Als wir wieder gegangen waren, war wohl auch seine Fassung weg. Wir mußten wieder an der Stelle vorbei, an der das Auto verbrannt war. Der Asphalt war schön schwarz. Und: Man sah vier blinkende aluminiumfarbene Kleckse im Asphalt, genau in dem Abstand, wie die Klinken an den Türen angeordnet waren.

Die Stadtreinigung schickte uns dann noch eine schöne Rechnung. 1500 Euro hat der Einsatz für den Mann, das Kehrmaschinchen, den Besen und den Handfeger gekostet! Man redete sich raus, die Straße müßte an der Stelle neu asphaltiert werden, sie sei kaputt. Nun, wir fuhren ja tagtäglich an der Stelle vorbei, weil das die Zufahrt zu unserer Wohnstrasse war. Es tat sich nichts. Man sah immer die schwarzen Stellen im Asphalt und die vier Aluminiumkleckse. Und heute, nach fünf Jahren fahren wir ab und zu immer noch dort vorbei und sehen die schwarzen Stellen und vier Aluminiumkleckse! Die Straße wurde nie repariert.

Und wieso war das Auto in Brand geraten? Ganz einfach. Es war ein Audi mit Klimaanlage. Und da die Klimaanlage im Motorraum eingebaut wurde, baute man beim Audi 100 die Batterie unter dem Rücksitz ein. Wir hatten das Fahrzeug zuvor in Reparatur gegeben und der Kundendienst hatte es wohl versäumt, den Rücksitz nach der Inspektion der Batterie wieder ordnungsgemäß zu befestigen. Als wir nun über die Straßenwölbungen gefahren sind, und unsere Tochter hinten auf dem Rücksitz saß, haben die Stahlfedern im Rücksitzpolster sehr wahrscheinlich in dem Moment, als das Auto in die Mulde fuhr, auf die Pole der Batterie aufgesetzt und einen Kurzschluß verursacht. So einfach ist das.

Und dann mußte ein neues Auto her. Wolfi war noch im Krankenhaus. Also hatte ich die Aufgabe, ein neues Auto zu kaufen. Ein Audi sollte es wieder sein. Ich fand einen. Gleiches Modell nur 10 Jahre jünger. Klimaanlage. Den Verkäufer habe ich argwöhnisch gefragt, wo die Batterie sei - gebranntes Kind scheut ja das Feuer! Der Gute, er kannte sich nicht aus. Ich auch nicht. Nicht mit dem Modell! Der Motorraum war komplett eingepackt, seitlich oben links, ganz klein, zwei Pole zu sehen, dahinter eine kleine Klappe. Ich habe dem Verkäufer geglaubt, daß dahinter - unten - die Batterie sei! Gott sei Dank habe ich die Klappe nicht geöffnet. Dann habe ich die Probefahrt gemacht. Ein Traum!! Das Auto habe ich sofort gekauft.

Und nun darf jeder raten, wo sich die Batterie befindet! Ja! Natürlich! Unter dem Rücksitz!

Ich hätte das Auto glaube ich trotzdem gekauft.